Zwei Frauen für den Frieden
Sie haben gerade ihr Büro in Frankfurt-Rödelheim bezogen. Maria Kissel und Martha Linck sind die neuen Friedensreferentinnen von Pax Christi Rhein-Main. Hauptberuflich eine katholische Friedensbewegung unterstützen? Die jungen Frauen erzählen, warum sie das tun.
von Anja Weiffen
Martha und Maria – ihre biblischen Vornamen amüsieren die beiden: „Das finden wir witzig“, sagen die zwei Frauen. Seit Anfang August arbeitet Martha Linck am Pax-Christi-Standort Frankfurt-Rödelheim. Gut einen Monat zuvor startete Maria Kissel in ihren Job. Beide sind Friedensreferentinnen beim Pax-Christi-Regionalverband der Bistümer Limburg und Mainz. Die aktive Martha und die kontemplative Maria – so wie die Schwestern im Neuen Testament? Beide sind sich einig, dass diese Zuschreibung so nicht auf sie passt. „Aber wir ergänzen uns gut“, versichert Martha Linck. Maria Kissel nickt.
Der Stadtteil Rödelheim wirkt angesichts der nahe gelegenen Frankfurt City fast kleinstädtisch. Angesiedelt ist das Pax-Christi-Büro unweit der S-Bahn-Station in den Räumen der Gemeinde St. Marien. Dort hängt im Schaukasten das Plakat der aktuellen Pax-Christi-Aktion, der „Wanderfriedenskerze“. Immer am 1. September startet sie und dauert bis zum Buß- und Bettag. Der 1. September gilt als Antikriegstag und erinnert an den Beginn des Zweiten Weltkriegs, der sich zum 85. Mal jährt. Bei der Friedensaktion wandern elf besonders gestaltete Kerzen durch Gemeinden in der Region. Die ökumenische Aktion gedenkt jedes Jahr der Opfer von Krieg, Terror und Gewalt. Diesmal hat sie das Motto „Vergessene Kriege – Menschen des Friedens“. Vor allem um den Konflikt in Kamerun geht es. Linck betreut die Aktion. Bei ihr können interessierte Gemeinden „auch noch kurzfristig eine Kerze für ihre Gottesdienste buchen“ (www.wanderfriedenskerze.de). „Ansprechpartner für Ehrenamtliche zu sein, das ist eine der wichtigsten Aufgaben für uns als Friedensreferentinnen“, sagt Kissel. Dazu gehöre es, Veranstaltungen zu organisieren, Kampagnen zu begleiten, Texte zu verfassen, zu recherchieren. Für Ehrenamtliche wollen sie vor Ort präsent sein und Sprechzeiten anbieten. „Unser Angebot gilt den Mitgliedern von Pax Christi, genauso allen, die Interesse am Verband und an Friedensthemen haben. Die Tür ist offen“, sagt sie. Die beiden arbeiten eng mit Christoph Krauß zusammen, der in der Geschäftsstelle Weltkirche/ Gerechtigkeit und Frieden beim Bistum Mainz als Friedensreferent den Pax-Christi-Regionalverband ebenfalls hauptamtlich unterstützt. „Frieden ist unser Thema. Aber wir beschäftigen uns viel mit Konflikten“, fasst Linck ihre Arbeit zusammen. Sie beendet zurzeit, neben der Tätigkeit bei Pax Christi, ihr Studium in katholischer Theologie und Politikwissenschaft in Mainz. Über ein Auslandsstudium in Jerusalem kam sie zum Verband. Sie lernte das Friedensprojekt Tent of Nations (Zelt der Völker) im Westjordanland kennen. „Eine Familie – palästinensische Christen – befindet sich dort im Rechtsstreit mit dem Staat Israel. Ihr Land wurde zu Staatsland gemacht. Die Familie hat nun kein Wasser und keinen Strom“, erzählt Linck. Beeindruckt hat sie, dass die Familie versucht, gewaltfrei ihr Recht durchzusetzen. Besonders erinnert sie sich an diesen Satz: „Wir weigern uns, Feinde zu sein.“ Ein Aufenthalt vor Ort eröffne einem die Nuancen eines Konflikts, sagt sie. Diese Erfahrung habe sie dazu bewegt, Mitglied bei Pax Christi zu werden.
Vom Mitglied zur hauptamtlichen Mitarbeiterin war es dann nicht mehr weit: „Durch einen Newsletter habe ich von der Stellenausschreibung erfahren“, sagt Linck. Ihre Motivation, sich zu bewerben: „Ich identifiziere mich sehr mit dieser Arbeit und habe ein großes Interesse an gesellschaftspolitischen Themen.“
Das trifft auch auf Maria Kissel zu. „Ich möchte etwas Sinnvolles machen.“ Nicht für den Profit einer Firma arbeiten, „sondern etwas bewirken in einer Sache, die ich auch privat unterstützen würde“. Sie hat Soziologie und Religionswissenschaft studiert und sich mit Fragen befasst, wie sich religiöse Inhalte sprachlich vermitteln. „Und wie sind wir durch Religion geprägt, ohne es zu wissen?“ Ein Herzensanliegen ist für sie der Widerstand gegen den Rechtsruck in Deutschland und Europa. „Ich möchte schauen, welche Möglichkeiten es für die Kirchen gibt, etwas dagegen zu tun.“
Demokratie- und Friedensförderung als gemeinsamer Nenner
Kissel und Linck empfinden es als positiv, dass die katholische Kirche durch ihren Einsatz für den Frieden „ein anschlussfähiges Thema“ aufgreift. „Hier kann Kirche in der Gesellschaft mitreden“, sagt Linck. Maria Kissel betont: „Ich finde es wichtig, – gerade in Zeiten, in denen sich fundamentalistische Freikirchen politisch rechts orientieren – mit Pax Christi einen katholischen, linken Verband zu haben.“
Beide sehen es gelassen, dass es unter den Mitgliedern unterschiedliche Stimmen zu manchen Konflikten gibt. Beeindruckt sind sie von der letzten Mitgliederversammlung sowie von den basisdemokratischen Entscheidungswegen des Verbands. „Wenn alle nur eine Meinung hätten, wäre ich skeptisch“, sagt Kissel. „Der gemeinsame Nenner ist die Demokratie- und Friedensförderung.“ Vor allem junge Menschen möchten sie für Pax Christi begeistern.
Was können Christen für den Frieden tun? „Die katholische Kirche ist gut vernetzt, das gilt es zu nutzen“, sagt Martha Linck. „Und immer im Dialog bleiben, im Großen wie im Kleinen. Im Gespräch das Gegenüber als mögliches Korrektiv für die eigene Meinung betrachten, sozusagen als Schleifstein“, empfiehlt Maria Kissel. Vor allem keine Zusammenhänge vereinfachen. „Stattdessen Komplexität aufrechterhalten und aushalten“, fasst Linck zusammen. „Das ist anstrengend, aber notwendig.“
Der Artikel erschien am 01.09.24 in dem katholischen Magazin für das Bistum Mainz "Glaube und Leben". Das Magazin finden Sie hier.
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