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Die Mythen der Rechten

Buchbesprechung von Lutz Lemhöfer

 

Aufklärung über rechte Mythen

Buchbesprechung: „Mythen der Rechten“ von Lutz Lemhöfer

 

Rechtspopulistische Bewegungen und Medien speisen sich zu einem nicht geringen Teil von einem Satz immer wiederholter politischer Behauptungen. Die vermeintlich dramatisch gestiegene Ausländerkriminalität gehört dazu, die angebliche Bedrohung der nationalen Identität (‚Umvolkung‘) durch Migration oder auch empört kolportierte Skandale wie die vorgebliche Entlohnung linker Demonstranten durch die Staatskasse. Gestützt werden solche „Halbwahrheiten und echte Lügen“ (S.8) durch die gegenseitige Zitation im Geflecht rechter Medien. Wie man dem durch saubere Recherche und Analyse den Boden entziehen kann, will das Buch ‚Mythen der Rechten‘ aus der Redaktion der ‚Frankfurter Rundschau‘ exemplarisch zeige. „Wir wollen den Kern rechter Propaganda ergründen – und dann zeigen, wie sie durch Vereinfachen und Ausblenden ihre unheilvolle Wirkung entfaltet.“ (S.9) Die Texte waren in loser Folge in der Zeitung erschienen und sind in diesem Taschenbuch erweitert und aktualisiert zusammengefasst.

 

Beispiele gefällig? Politik und Behörden verheimlichten jahrelang das Ausmaß der Ausländerkriminalität, so lautet ein vielfach geäußerter Vorwurf. Das ist erst einmal schlicht falsch; so veröffentlichte im Dezember 2016 das Bundeskriminalamt den Bericht ‚Kriminalität im Kontext der Zuwanderung‘, der in der Tat parallel zur wachsenden Zuwanderung einen zahlenmäßigen Anstieg von ihnen begangener Straftaten konstatiert. Allerdings muss man die Statistik mit Verstand lesen. Zum einen umfasst sie Touristen und zeitweilige Besucher ebenso wie Migranten – nicht jedes Ausländer-Delikt ist eines von Geflüchteten. Zum anderen sind 6,3% der erfassten Straftaten Verstöße gegen das Aufenthalts- Asylverfahrens- oder Freizügigkeitsrecht: Delikte also, die Inländer gar nicht begehen können. Bei den übrigen Straftaten dominieren Bagatelldelikte wie Ladendiebstahl oder Schwarzfahren. Nur 0,2% waren sogenannte ‚Straftaten gegen das Leben‘. Für Schlagzeilen wie „Das Ausmaß der Flüchtlingskriminalität sprengt jegliche Befürchtungen“ (zit. S. 44) taugt die reale Statistik nicht.

 

Immerhin gibt es hier noch eine Faktengrundlage, die freilich entstellt und manipuliert wird. Gänzlich ohne eine solche Grundlage kommt die Mär aus, linke Demonstranten würden vom Staat bezahlt. Ein satirischer Text der Tageszeitung ‚taz‘ über den angeblichen Demo-Sold für einen (nicht existierenden) „Antifa e.V.“ wurde per Twitter als Faktum weitergegeben. Die sächsische AFD nahm die Ausschreibung einer PR-Agentur für Luftballon-Verteiler bei einer Kampagne des Freistaats Sachsen ‚So geht sächsisch‘ zum Anlass für die öffentliche Vermutung, die Staatskanzlei habe Demonstranten bezahlt. Eine offizielle Anfrage an die Landesregierung gab es aber nicht. Als die Linkspartei dies nachholte, war die Antwort eindeutig: Die sächsische Staatsregierung habe niemals bezahlte Demonstranten eingesetzt. Von der AFD-Facebookseite wurde der als falsch erwiesene Verdacht nicht gelöscht.

 

Es lohnt sich also, bei mutmaßlichen Fake News genauer hinzusehen. „Gibt es konkrete Angaben zu Ort, Zeitpunkt oder Chronologie, handelnden Personen, die sich nachprüfen lassen? Wenn nicht, deutet das auf Fälschungen.“ (S.133) Solche handwerklichen Tipps enthält das Büchlein ebenso wie ein ausführliches Glossar wichtiger Namen und Organisationen aus der rechten Szene. Damit ist dieses Bändchen aus der FR-Redaktion ein ungewöhnlich nützliches Instrument zum Umgang mit rechten Mythen. „Was sie uns glauben machen wollen – und wie wir uns dagegen wehren können“, dazu sollen laut Untertitel Wege gezeigt werden. Dieses Versprechen wird eingelöst. Empfehlenswert!

 

Bascha Mika/Arnd Festerling (Hg.): Die Mythen der Rechten. Was sie uns glauben machen wollen – und wie wir uns dagegen wehren können. Societäts-Verlag 2017. 173 Seiten. 12,80 ˆ