Das alleinige Setzen auf militärische Abschreckung und Aufrüstung wird weltweites Wettrüsten weiter befeuern, warnt der Gastautor und Friedensaktivist Thomas Meinhardt.
Die Hoffnung „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“ klingt gerade weit, sehr weit, entfernt. Krieg und der Einsatz militärischer Gewalt sind in vielen Weltregionen immer noch – und wieder verstärkt – Mittel zur Durchsetzung politischer und wirtschaftlicher Interessen. Dabei sind wir auf weltweite Kooperation, und nicht Konfrontation dringend angewiesen. Denn: Nur gemeinsam sind Menschheitsprobleme wie Klimaerhitzung, abnehmende Biodiversität, Hunger, Pandemien lösbar. Was aber tun? Mir helfen dabei ein paar grundsätzliche Überlegungen:
1. Es gibt keine einfachen Lösungen für die zumeist komplexen Probleme! Wenngleich ein solcher Wunsch verständlich ist.
Frieden, Gerechtigkeit und der Schutz einer lebenswerten Umwelt sind in einer globalisierten Welt nur noch als gemeinsames, weltumspannendes Projekt zu gewährleisten. Das aber kann nur durch intensive diplomatische Initiativen gelingen, die die Staaten des Globalen Südens gleichberichtigt und auf Augenhöhe einbeziehen.
2. Das alleinige Setzen auf militärische Abschreckung und Aufrüstung wird ein weltweites Wettrüsten weiter befeuern. Der hieraus resultierende Entzug finanzieller Ressourcen und eine verschärfte Konfrontationspolitik werden die Menschheitsprobleme massiv verschärfen.
Aber: Auch das sofortige Beenden jeder militärischen Unterstützung der Ukraine und die Wiederaufnahme der Lieferungen fossiler Energieträger aus Russland wären derzeit aus meiner Sicht unverantwortlich. Sie würden höchstens zu einem russischen Diktatfrieden mit verheerenden Auswirkungen für die ukrainische Bevölkerung führen. Ich sage dies nicht leichtfertig. Ich engagiere mich seit 47 Jahren gegen Rüstungsexporte und habe an der Gründung von zwei großen Kampagnen gegen Waffenexport mitgewirkt. Dennoch halte ich es in diesem besonderen Fall für gerechtfertigt, dem Opfer der anhaltenden militärischen Aggression Russlands auch mit Waffenlieferungen beizustehen. Zudem: Ein Diktatfrieden Russlands würde Aggressoren weltweit ermutigen, ihre Interessen verstärkt militärisch durchzusetzen.
3. Wir brauchen Kriterien und gemeinsame Zielbeschreibungen, an denen wir politische Entscheidungen, aber auch unser eigenes Handeln überprüfen können. Insbesondere zwei Leitlinien helfen mir dabei: das umfassende Friedensgebot des Grundgesetzes und das Ziel, ein gutes Leben für alle zu fördern.
Bezogen auf deutsche Waffenlieferungen heißt das: Ein Rüstungsexportverbot an Diktaturen und autoritäre Regime muss endlich durchgesetzt werden. Waffenlieferungen beispielsweise an die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, Türkei, Ägypten, sind unverantwortlich: Diese Regime missachten nicht nur die fundamentalen Menschenrechte. Sie beliefern auch die beiden Kriegsparteien im Sudan und ermöglichen dadurch das anhaltende Morden.
Bezogen auf die Sicherheitspolitik heißt das: die Bundesregierung aufzufordern, neue erweiterte Rüstungskontrollverhandlungen zu initiieren, anstatt einer automatischen Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland zuzustimmen.
Bezogen auf den Krieg in der Ukraine heißt es: Erhöhen wir den politischen Druck auf die Bundesregierung, endlich entschlossen die unzähligen Schlupflöcher in Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu stopfen. Dies wäre ein wahrscheinlich erfolgversprechenderer Weg, Putin zu ernsthaften Friedensverhandlungen zu bewegen, als allein durch jahrelange Waffenlieferungen.
Bezogen auf die deutsche Haushaltspolitik folgt daraus: deutlich gegen eine Reduzierung des finanziellen Engagements bei Entwicklungshilfe und Demokratieförderung zu protestieren.
Bezogen auf unser Handeln vor Ort bedeutet es : Jede und jeder kennt kleine Hoffnungsgeschichten, die uns und andere ermutigen, nicht zu resignieren. Suchen wir aktiv danach. Erzählen wir davon in unserem jeweiligen Umfeld. Kommen wir – wo immer möglich – auch mit Menschen außerhalb unserer üblichen Blase ins Gespräch. Diskutieren wir über konstruktive Wege, Frieden, soziale Gerechtigkeit und eine lebenswerte Umwelt zu fördern!
Thomas Meinhardt
ist Diplomsoziologe, Redakteur und Publizist sowie ehrenamtlicher Co-Vorsitzender des Regionalverbandes Rhein-Main der katholischen Friedensbewegung Pax Cristi. Er erhielt 1992 gemeinsam mit seiner Frau den Aachener Friedenspreis für sein Engagement gegen Rüstungsexporte.