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Idstein: Bildung und Aufklärung gegen Radikalisierung

Das Wiesbadener Tagblatt berichtet über eine gelungene Veranstaltung des Idsteiner Friedensbündnisses am 23.3.2015

Wir dokumentieren einen Bericht des Wiesbadener Tagblatts zur Veranstaltung "Woher kommt der Hass", die vom Vorsitzenden von pax christi Limburg Thomas Meinhardt moderiert wurde.

Von Volker Stavenow

IDSTEIN - Theoretisch erscheint die Lösung einfach: Jungen Muslimen in Deutschland müssen Bildung, Weiterbildung, die Chance auf Aufnahme in die Gesellschaft und vor allem intensive Aufklärung über den Sinn des Islam vermittelt werden. Nur dann besteht die Hoffnung, dass einige junge Muslime nicht von Radikalisierern durch falsche Botschaften missbraucht werden – und möglicherweise in ihrer Verblendung für die islamistischen Terrororganisationen in den Krieg ziehen.

Dass es allerdings in der Praxis schwer ist, diese Theorie auch umzusetzen, erfuhren gut 250 Besucher im Idsteiner Kulturbahnhof, wo das Aktionsbündnis „Das Idsteiner Land ist bunt“ zu einem Diskussionsabend mit dem Wiesbadener Imam Husamuddin Meyer – inzwischen bekannt aus Funk und Fernsehen – eingeladen hatte. Die als Initialzündung für weitere solcher Veranstaltungen in Idstein gedachte Debatte stand unter dem Thema „Woher kommt der Hass (vieler muslimischer junger Menschen)?“ Meyer hat als einziger muslimischer Gefängnisseelsorger in Deutschland tiefe Einblicke in die Gedankenwelt vieler junger Muslime, die in Wiesbaden, Rockenberg oder auch Weiterstadt Strafen absitzen.

„Ich gehe in die Gefängnisse, spreche mit den jungen Männern und erfahre viele Dinge, die ich so nicht erwartet habe. Nach meinen TV-Auftritten sagten Gefangene zu mir: Du warst gut, aber die Frage, woher unser Hass kommt, wurde nicht beantwortet.“ Die Antwort der jungen Muslime ist für Meyer eindeutig: „Wir fühlen uns nicht von der Gesellschaft akzeptiert, nicht eingegliedert und an den Rand gedrückt, sagen sie zur mir.“ Meyer nimmt die jungen Menschen ernst, denn er hat nach eigenen Worten erkannt, dass auch fehlende Bildung und fehlendes Wissen den Fehlentwicklungen dieser Männer Vorschub leisten. „Wenn sie mich fragen, ob man alle Muslime, die nicht beten, umbringen darf oder sagen, dass jemand zu ihnen gesagt hat, dass man eine Bank ruhig überfallen darf, wenn man einen Teil des Geldes der Moschee spendet, dann ist das für mich erschreckend.“

Meyer, der in Nordafrika die friedvollen Bestrebungen des Islam kennen- und schätzengelernt hat, versucht, den Gefangenen den echten Islam zu erklären. „Es gibt viele falsche Infos von Radikalisierern, die die Orientierungslosigkeit der jungen Muslime ausnutzen und sie so zum IS bringen. Viele von den Männern kehren traumatisiert und seelisch zerstört zurück und sagen sich vom IS los“, schildert Meyer die Folgen. Eine Ursache sieht er auch im Verhalten vieler westlicher Staaten, die versuchen, ihre Demokratie und Lebensweise den islamischen Ländern aufzuzwingen. „Das ruft Widerstand hervor!“

Aufklärung als A und O

Für Meyer ist religiöse Aufklärung über den friedlichen Islam das A und O der Prävention. „Da viele junge Muslime aus zerrütteten Familien kommen, in denen der Vater fehlt, müssen Schule und Gesellschaft dabei mithelfen. Das kostet aber Geld. Bisher werde leider kein Euro bereitgestellt, damit noch mehr geistliche Seelsorger wie ich in den Gefängnissen arbeiten können.“ Meyer warnte davor, den Islam zu stigmatisieren: „Viele setzen inzwischen Terror mit Islam gleich. Das ist für Muslime fatal.“

Deshalb müsse sich die Gesellschaft Mühe geben, um das Bild gerade bei jungen Menschen wieder zurechtzurücken. „Wenn einer sagt, er findet es gut, dass Menschen für den Islam töten, dann ist da etwas grundlegend falsch gelaufen.“ Es sei schon fast zu spät, wenn die jungen Muslime Imam Meyer mit derartigen verblendeten Ideen konfrontieren. „Die Prävention muss viel früher einsetzen, damit sie später nicht den falschen Zielen hinterherlaufen.“

In einer öffentlichen Diskussion wurden weitere Aspekte der Besucher in die Runde geworfen und versucht, nächste Ziele für die Idsteiner Stadtgesellschaft zu formulieren. Für auflockernde Klänge sorgten Michael Staudt und Joachim Bach.