Die Veranstaltung hätte aktueller nicht sein können, da am gleichen Tag die neuen Asylreformen der EU beschlossen wurden.
Zunächst erläuterte die Referentin Jana Freudenberger Begriffe wie Migration, Flüchtlinge und irreguläre Migration die zwar viel genutzt, aber bei denen nicht immer eindeutig ist, was genau gemeint ist. Wie Frau Freudenberger klarstellte, ist der Begriff Flüchtling von der Genfer-Flüchtlingskonvention 1951 definiert worden und bezeichnet eine Person, die wegen der begründeten Angst vor Verfolgung aufgrund ihrer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung aus dem Land geflüchtet ist, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt bzw. in dem sie ihren gewöhnlichen Wohnsitz hat. Der Begriff Migration hingegen ist ein Oberbegriff für Zu- oder Abwanderung von einem Staat in einen anderen. Flucht kann auch Migration bedeuten, die meisten Flüchtlinge sind jedoch sogenannte Binnenflüchtlinge, die innerhalb ihres Heimatlandes auf der Flucht sind – Ende 2022 berichtete der UNHCR Global Trends Report von 35,3 Millionen Flüchtlinge und 62,5 Millionen Binnenflüchtlingen weltweit. Im Vergleich sind nur 5,4 Millionen Menschen Asylbeweber:innen. Im Jahr 2023 wurden die meisten Asylanträge in der EU von Flüchtlingen aus Syrien gestellt.
Wenn man von regulärer Migration spricht, dann ist damit oft die offizielle Einreise mit einem Visum gemeint. Angesichts ihrer Herkunftsländer ist die Wahrscheinlichkeit für Flüchtlinge allerdings verschwindend gering, ihr Land mit Visum und einem Platz im Flugzeug zu verlassen. Auf der Website passportindex.org kann man sich die Macht des Reisepasses der verschiedenen Länder anzeigen lassen und damit auch die Wahrscheinlichkeit regulär in ein anderes Land migrieren zu können. Zum Vergleich: Deutschland liegt auf Rang 2, zusammen mit anderen EU-Ländern wie Frankreich und Italien. Syrien liegt auf Rang 95, dem letzten gelisteten Rang. Diese Platzierung zeigt, dass Menschen aus Syrien so gut wie keine Möglichkeit haben, regulär zu migrieren, was auch für die meisten Flüchtlinge weltweit gilt.
Frau Freudenberger listete außerdem die verschiedenen Rechte von Flüchtlingen auf: In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN ist in Artikel 14 festgehalten, dass jeder Mensch ein Recht darauf hat, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl suchen zu können. Auch die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention und die Grundrechtecharta bestätigen das Recht auf Asyl. Die Gesetze stellen klar, dass jeder Mensch das Recht hat, einen Asylantrag zu stellen. Faktisch gibt es aber in der EU keinen wirksamen Mechanismus der die Aufnahme und gerechte Verteilung ankommender Schutzsuchender regelt. Um dieser fehlenden Einigkeit innerhalb der EU entgegenzuwirken, wurden 2013 das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) entwickelt. GEAS ist der Kern der europäischen Asyl- und Migrationspolitik. Im GEAS wurden zwei EU-Verordnungen, fünf EU-Richtlinien und zwei Organisationen zu einem einheitlichen System zusammengeführt – theoretisch. 2015, als sehr viele Menschen vor Verfolgung und Kriege aus Syrien nach Europa flohen, brach die GEAS mehr oder weniger zusammen – eine gerechte Verteilung funktionierte wegen der grundsätzlichen Weigerung einiger EU-Staaten zur Aufnahme von Geflüchteten überhaupt nicht mehr. Anschließend, so Frau Freudenberger wurden immer wieder Versuche unternommen, das gemeinsame europäische Asylsystem zu reformieren: Es wurde der sogenannte Hotspot-Ansatz verfolgt, der EU-Türkei-Deal beschlossen und andere Abmachungen geschlossen – letztlich alle ohne den gewünschten Erfolg. Stattdessen kam es immer wieder zu massiven Menschenrechtsverletzungen. Seit Jahren werden diese vor allem von der sogenannten „libyschen Küstenwache“ und ähnlichen Milizen begangen – mit Duldung der EU und häufig sogar von ihr bezahlt.
Mit der nun durch die Zustimmung des EU-Parlaments und die EU-Kommission beschlossenen Reform des GEAS, die eine deutliche Verschärfung der europäischen Asylpolitik zur Folge hat, soll wieder einmal eine einheitliche europäische Politik erreicht werden. Die Änderungen im GEAS, so Frau Freudenberger, betreffen vor allem veränderte Grenzverfahren, eine Ausweitung von „sicheren Drittstaaten“, die Verteilung innerhalb der EU und die Krisenverordnung. Bei der detaillierten Vorstellung dieser Veränderungen wurde deutlich, dass vieles davon besser klingt, als es in der Praxis mit großer Wahrscheinlichkeit kommen wird. Vor allem scheinen wieder ähnliche Maßnahmen wie bei den letzten gescheiterten Reformen vorgesehen zu sein. Vor allem wird auf Abschottung und die Auslagerung von Asylverfahren außerhalb der EU ähnlich dem britischen Ruanda-Modell gesetzt. In der anschließenden Diskussion wurde von vielen die Befürchtung geäußert, dass diese Reform zwar zu einer faktischen weiteren Einschränkung des Asylrechts und zu noch mehr massiven Menschenrechtsverletzung führen wird, aber nicht zu einer Verbesserung der Situation oder zu längerfristig funktionierenden Strukturen für eine angemessene und humane Flüchtlings- und Asylpolitik, für die sich die Teilnehmenden bisher schon und auch in Zukunft engagieren wollen.
Wer mehr zu den Inhalten der Reform wissen möchte, kann sich u.a. hier auch bei Pro Asyl informieren.
Anna Meinhardt