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Zeitzeugenwoche 2023 in Limburg

Zeitzeugen

Bericht zur Zeitzeugenwoche in Limburg 2023

„Möchten Sie meine Mutter sein?“

Zeitzeug:innen zu Gast im Limburger Priesterseminar

Anna, Henriette, Mietek und Mikolaj. Diese Vornamen stehen für die vier Hauptpersonen einer weiteren „Zeitzeug:innenwoche“, organisiert und begleitet vom Bistum Limburg und pax christi Rhein-Main. Aus Polen, aus Berlin und Antwerpen haben sich „unsere Zeitzeug:innen“ aufgemacht, um hierzulande Gesicht zu zeigen, ihre Erlebnisse zu schildern und zu jungen Leuten aus deutschen Schulen eine Beziehung herzustellen. Zu mehreren Begegnungsveranstaltungen kamen mehr als Tausend Schülerinnen und Schüler – zwischen 15 und 23 Jahren, auch Berufsschüler:innen – in die verschiedenen Räume und die Aula des Priesterseminars. Vier Menschen, ursprünglich aus Polen stammend, setzten sich jeden Tag neu dem Risiko aus, vor Schüler:innengruppen über ihre traumatischen Erlebnisse zu reden. Es ist nicht sicher, dass ihre Erzählungen „ankommen“, dass ihr Narrativ geteilt wird und ob die Aufmerksamkeitsspanne reicht und sich junge Leute in Deutschland von ihren Worten berühren lassen. Klar, die jungen Menschen sind vorbereitet. Trotzdem geht jede Zeitzeugin, jeder Zeitzeuge jeden Tag ein sehr persönliches Risiko ein. Es ist schön – jedes Mal –, wenn es wieder gut gelaufen ist, wenn sie die Herzen durch ihre Persönlichkeiten und authentisches Berichten erreicht haben.

Henriette Kretz, geboren 1934 in Lemberg (heute Ukraine), berichtete von einer glücklichen Kindheit. Dass Deutsche Krieg anfangen und sich so unmenschlich verhalten, war für sie unvorstellbar. „Die deutschen Soldaten wirkten wie sympathische Burschen.“ Ihre Eltern mussten fliehen und wurden bei guten Menschen versteckt. Man fand sie, und Henriette musste erleben, wie ihre Eltern vor ihren Augen erschossen wurden. „Lauf, Henriette lauf!“, rief ihr Vater. Sie floh und wurde in einem christlichen Waisenhaus bis zum Ende des Krieges aufgenommen. „Ich war der einsamste Mensch auf der Welt.“ „Möchten Sie meine Mutter sein?“, so wendete sie sich an andere Frauen. Jeder Mensch sollte doch ein Recht auf gutes Zusammenleben und die gleichen Rechte haben. Gegen Schluss ihres Vortrages in der großen Aula in Limburg sagt sie zu den jungen Leuten: „Ich möchte eure Großmutter sein.“

Rüdiger Grölz

Handwerkermeister und pax christi- und Redaktionsmitglied