Wer Frieden will

muss Frieden vorbereiten

 

Im achten Monat des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine erklärt die pax christi-Delegiertenversammlung:

Die deutsche Sektion der internationalen katholischen Friedensbewegung pax christi ist der biblischen Friedensbotschaft verpflichtet. Die pax christi-Bewegung nimmt die Botschaft Jesu Christi ernst und lehnt daher grundsätzlich den Einsatz von Gewalt ab. Auf der ernsthaften Suche nach Versöhnung und Frieden und nach Wegen der aktiven Gewaltfreiheit als christlichem Lebensstil (Papst Franziskus) streben wir einen respektvollen Umgang miteinander an, auch mit denen, innerhalb und außerhalb von pax christi, die nicht ausschließen wollen, dass es gewaltvolle, kriegerische Entwicklungen gibt, die zum Schutz von Menschenleben und zur Verteidigung eines Landes des bewaffneten Widerstands bedürfen.

Aktive Gewaltfreiheit ist und bleibt unser Leitimpuls zur Lösung von Konflikten. Deshalb setzen wir uns mit der Kampagne „Gewaltfrei wirkt“ dafür ein, Menschen in unserem Umfeld, in Kirchengemeinden und Schulen, in Verbänden und Gemeinschaften, aber auch in internationalen Beziehungen Wege des gewaltfreien Handelns aufzuzeigen und zu ermöglichen.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine stellt einen eklatanten Bruch des Völkerrechts dar, der Deutschland, Europa und letztlich die ganze Welt herausfordert. Er fordert in der Ukraine jeden Tag Todesopfer und zerstört Lebensgrundlagen, unzählige Menschen werden zur Flucht gezwungen.
Wir sind in Gedanken und Gebeten bei den vom Krieg betroffenen Menschen, die furchtbare Monate des Krieges und des Leidens durchleben. Wir appellieren an die russische Regierung, die Waffen schweigen zu lassen, den diplomatischen Weg einzuschlagen und sich aus der Ukraine zurückzuziehen. Wir appellieren an die ukrainische Regierung, sich für diplomatische Verhandlungen zu öffnen.

Wir sehen, dass auch dieser Krieg Vorgeschichten hat: Teil der Vorgeschichte ist die Entwicklung der Ukraine nach der Unabhängigkeit 1991 und die Auseinandersetzung mit panrussischen Bestrebungen russischer Politik gegenüber der Ukraine. Ebenso Teil der Vorgeschichte dieses Konflikts sind die Erweiterung der NATO bis an die russische Grenze und Militärmanöver auf beiden Seiten. Ohne den Blick auf die komplexe Vergangenheit und den Verlust an Vertrauen ist eine Bewertung des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine nicht möglich, was die Gestaltung einer friedlichen Zukunft behindert.

Dieser Krieg muss beendet werden, denn er schwächt die ganze Welt. Er verursacht Hungerkrisen in von Lebensmittelversorgung abhängigen Ländern und Teuerungen, die zu sozialen Spannungen führen. Er fördert Flucht und Migration mit all den traumatischen Auswirkungen auf die Betroffenen.
Er führt zu Energieknappheit und so zu einer Rückkehr zu fossilen Brennstoffen und Atomenergie mit fatalen Folgen für Umwelt und Sicherheit. Er befördert einen weltweiten Militarisierungsschub und beschleunigt die globale Klimakatastrophe.


Friedensethisches Dilemma

Friedensethisch konfrontiert dieser Krieg uns mit den Dilemmata des Einsatzes von Gewalt. Auch in der pax christi-Bewegung gibt es dazu unterschiedliche Analysen und Meinungen.

Selbstverteidigungsrecht der Ukraine einerseits und das grundsätzliche Nein zum Einsatz von militärischer Gewalt bei gleichzeitiger Unterstützung mit zivilen Mitteln andererseits. In pax christi wird dieses Dilemma aktuell im Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine aus guten Gründen plural hin auf das konkrete politische Handeln interpretiert: Viele in pax christi halten mit Blick auf die langfristigen Folgen und grundlegenden theologisch-spirituellen Überlegungen an der Option für Gewaltfreiheit fest; in pax christi gibt es auch die Option, auf Solidaritätsanforderungen aus der Ukraine neben zivilen Hilfen auch mit Waffenlieferungen zur Verteidigung zu reagieren.

pax christi ist sich jedoch einig darin, im Glauben an die Friedensbotschaft Jesu Christi an der Seite derer zu stehen, die in einen Krieg verwickelt worden sind und sucht nach Wegen, Frieden und Versöhnung zu finden. Deswegen verdient jeder Mensch Schutz vor militärischer Gewalt.

Einig ist sich pax christi auch, dass ein sofortiger Waffenstillstand gefordert ist, um diplomatische und zivile Klärungsprozesse beginnen zu können.

pax christi setzt sich dafür ein, jetzt den Frieden im Krieg vorzubereiten.

Dazu gehört für die pax christi-Delegiertenversammlung:

  • Sich nicht an Kriege und Gewalt zu gewöhnen, weder in der Ukraine noch an die vielen anderen Kriege weltweit.
  • Kontakte zu zivilen Organisationen auf beiden Seiten aufrechtzuerhalten, zu pflegen oder zu initiieren; ebenso Kontakte auf persönlicher Ebene nicht abreißen zu lassen.
  • Wir sehen es als Aufgabe von Politiker:innen, Kirchenvertreter:innen oder anderen Personen des öffentlichen Lebens an, den Dialog mit allen denkbaren Partner:innen mit Hartnäckigkeit und Geduld zu suchen und zu führen und Gesprächskanäle auf allen Ebenen offen zu halten oder zu öffnen.
  • In Diplomatie und Verhandlungen die Sichtweisen aller Konfliktparteien wahrzunehmen, kritisch zu hinterfragen und keine Feindbilder aufzubauen oder zu verstärken.
  • Plattformen für Verhandlungen sind vorrangig die Vereinten Nationen und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
  • Die öffentliche Debatte aus der militärischen Engführung herauszuholen und die vielfachen Möglichkeiten gewaltfreien und deeskalierenden Handelns bekannt zu machen. Es ist die Verantwortung der Medien, solchen Themen und der Forderung nach Einstellung der Waffenlieferungen Raum zu geben.
  • Ressourcen für zivile Konfliktbearbeitung und für Ausbildung in gewaltfreiem Widerstand und sozialer Verteidigung sollten in viel größerem Umfang bereitgestellt werden.
  • Menschenrechte und das Völkerrecht müssen von allen politischen und wirtschaftlichen Akteuren geachtet werden.
  • Alle Menschen beider Seiten, die sich dem Krieg entziehen möchten, den Kriegsdienst oder den Kriegseinwirkungen, sollen für die Dauer ihrer Gefährdung in Deutschland Aufnahme finden.
  • Mit Blick auf das wachsende atomare Kriegsrisiko sollte die NATO ihre atomare Erstschlagoption aussetzen, um den russischen Sicherheitsbedürfnissen entgegen zu kommen.
  • Die Umsetzung des Atomwaffenverbotsvertrages weiter mit Nachdruck zu befördern.
  • Die Einrichtung entmilitarisierter Zonen zu befördern.
  • Exit-Strategien für die Wirtschaftssanktionen zu entwickeln, z.B. im Falle eines Waffenstillstands.

Es ist notwendig, dass nicht in militärischen Kategorien, in Kategorien von Sieger und Verlierer, gedacht wird. Erforderlich ist eine kluge, alle Ebenen und Kanäle einbeziehende Krisendiplomatie, die den beteiligten Parteien einen gesichtswahrenden Ausstieg aus den Kriegshandlungen ermöglicht.

Wer Frieden will, muss diesen vorbereiten und Grundlagen dafür schaffen, dass Frieden entstehen und wachsen kann.

Die pax christi-Bewegung sieht dies als Aufgabe und Herausforderung für alle Christ:innen und Menschen guten Willens an.